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Studies fordern Geld nicht zurück

Studierende wollen ihr Geld nicht. Mindestens 15 Millionen Euro bisher
nicht abgerufen!

Referent_innenRat der HU ruft auf, das Geld zu spenden.


Berlinweit haben immer noch weit über 100.000 (ehemalige) Studierende die
zu Unrecht erhobenen Rückmeldegebühren der Jahre 1996 bis 2004 nicht
zurückgefordert. Äußerst vorsichtigen Schätzungen zufolge beläuft sich die
noch nicht abgerufene Summe auf mindestens 15 Millionen Euro. Die Frist
zur Beantragung läuft jedoch bereits 31.12.2013 unwiderruflich ab.


Laut einer Anfrage im akademischen Senat der Humboldt-Universität hatten
Ende November 50.000 Berechtigte noch keinen Antrag auf Erstattung
gestellt. Bei einer Gesamtzahl vom 75.000 Antragsberechtigten sind das
zwei Drittel. Und das allein an der HU! „Ich war deutlich irritiert, als
ich diese Zahlen hörte!“, meint Tobias Roßmann, studentischer Senator der
HU. Klein ist der Betrag nämlich nicht, den die damaligen Studierenden
zurückerhalten können. Es sind rund 51€ pro immatrikuliertem Semester. Bei
einer Studienzeit von neun und mehr Semestern bedeutet das eine
Rückerstattung von mindestens 459€ pro Person.


Für das Geld haben Studierende fast 17 Jahre geklagt. Es war ein
gemeinsamer politischer Kampf vieler engagierter Studierender gegen
Studiengebühren, die als Verwaltungsgebühren getarnt waren. Sie wurden von
den ASten unterstützt. „Viele Personen haben aufgrund ihrer damaligen
Ausbildung heute gutbezahlte Jobs. Wenn sie nicht dringend selbst auf das
Geld angewiesen sind, sollten sie es für politische Projekte spenden. Das
ermöglicht es weiterhin derartige politische Kämpfe zu führen.“ meint
Roßman weiter. Er hatte auch eine Resolution in das Studierendenparlament
eingebracht, die unter dem provokanten Titel „Euch geht\'s wohl zu gut?!“
Gleiches fordert. Sie wurde mich großer Mehrheit angenommen.


Da derart große Summen nicht einzelnen Projekten zugewiesen werden können,
empfiehlt der Referent_innenRat das Geld zweckgebunden dem „Netzwerk
Selbsthilfe“ zu spenden. Dort profitieren viele bildungspolitische
Projekte von dem Geld. „Wer auf dem Überweisungsträger das Wort „Bildung“
als Verwendungszweck angibt, kann sicher sein, dass das Geld in
bildungspolitische Projekte fließt. Unbestritten sind auch andere
Spendenzwecke wichtig, jedoch ist es dem Referent_innenRat aufgrund des
hochschulpolitischen Mandates nur gestattet, für Spenden mit
bildungspolitischen Hintergrund aufzurufen.“ meint Enno Hinz,
hochschulpolitischer Referent des Referent_innenRates. Das Netzwerk
Selbsthilfe hat zu diesem Zweck eine übersichtliche Seite mit allen
Informationen zum Thema Rückmeldegebührenerstattung erstellt.

Sie ist unter //retour.nw-sh.de zu finden.


Die Hochschulen verweisen auf ihren Seiten ebenfalls auf
Spendenmöglichkeiten, wie das sog. Deutschlandstipendium. Dieses wird
jedoch oft als unsozial kritisiert, da das Einkommen der Eltern bzw. die
sog. „Bedürftigkeit“ kein Vergabekriterium sind. „Da bekommen größtenteils
Studierende Geld, die darauf gar nicht angewiesen sind. Das finde ich
unsozial!“ findet Tobias Roßmann, welcher seinen Lebensunterhalt in der
studentischen Sozialberatung verdient. „Zu uns kommen Leute, die kein
Deutschlandstipendium bekommen, weil sie neben dem Studium arbeiten
müssen, chronisch krank sind oder durch ähnliche Gründe nur eingeschränkt
studieren können. Das ist bitter anzuschauen!“


Über Gründe der Nichtabrufung des Geldes durch Antragsberechtigte kann nur
spekuliert werden. „Vor allem mangelt es an der Information.“, meint Joao
Fidalgo, Referent für Lehre und Studium des Referent_innenRates der HU
Berlin. „Berlin ist als bundesweiter und internationaler Studienort schon
immer beliebt gewesen. Doch wie sollen ehemalige Studierende aus z.B. Laos
von ihren Ansprüchen wissen, wenn bereits die Berechtigten in Hamburg oder
Köln keine Ahnung haben?“ Eine automatische Benachrichtigung der
ehemaligen Studierenden findet nämlich nicht statt und wäre nach z.B. 16
Jahren auch schwierig durchzuführen.

Ein weiterer Grund wird den Studierendenvertretern immer wieder genannt.
Man wolle das Geld nicht aus den klammen Kassen der Hochschulen abziehen,
meinen viele Antragsberechtigte. Jedoch kommt das Geld aus dem Berliner
Haushalt. „Immerhin gingen die Gebühren damals komplett in den Berliner
Haushalt. Jetzt muss die Stadt eben zurückzahlen, was sie sich damals
widerrechtlich genommen hat. Die Hochschulen bleiben also unbelastet.“,
meint Fidalgo abschließend. Der Berliner Senat hat den Hochschulen bereits
zugesichert, sämtliche Kosten zu übernehmen.


Hintergrund

Im November 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die
Rückmeldegebühren in Berlin von 1996 bis 2004 nicht rechtmäßig sind. Somit
muss das Land Berlin die Gebühren an alle damals immatrikulierten
Studierenden zurückerstatten. Dazu bedarf es jedoch eines Antrages an die
Hochschule, an der man damals immatrikuliert war. Laut vorsichtigen
Schätzungen beläuft sich die noch offene Gesamtsumme für Berlin auf
mindestens 15 Millionen Euro.


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  • erstellt:29.12.13, 22:48
  • geändert:20.08.14, 16:20