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Pressemitteilung: Misslungener Semesterstart für Transrechte an der HU

Berlin, 14.10.2021

Ein weiteres Semester müssen transgeschlechtliche Student_innen an der Humboldt Universität zu Berlin auf die Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität warten. Ab diesem Wintersemester (2021/22) sollte es an der HU die längst überfällige Möglichkeit der Änderung des Vornamens zumindest in den internen Systemen der Universität geben. Gescheitert ist diese Minimallösung jedoch an kafkaesker Bürokratie und Untätigkeit auf Seiten von Universitätsleitung und Senat.

Diskriminierung von trans Student_innen

Möglich werden sollte die Änderung des Vornamens in den Lernplattformen Moodle, Zoom und im System für Lehre und Prüfung AGNES. Eine solche Lösung hatte auch die Freie Universität 2020 möglich gemacht. Nach langer Aushandlung wurde ein entsprechender Beschluss in der akademischen Senatssitzung vom 21.01.2020 gefasst. Die genaue Machbarkeit wurde jedoch erst 2021 abschließend besprochen. Die Studienabteilung hätte nur noch die bereits zugesagten Mittel von 30 Arbeitsstunden beantragen müssen, die für die technische Umsetzung notwendig wären. Diese Stunden wurden jedoch von der Studienabteilung nie beantragt.

Die Folgen sind anhaltende Diskriminierung von trans, inter und nicht binären Student_innen: Tägliches Ansprechen mit dem falschen Vornamen und falschem Geschlecht gehören so weiter zum Umgangston an der HU. „Dieser Umstand wird von trans Student_innen teilweise als so unaushaltbar empfunden, dass es zu vermehrten Studienabbrüchen und Urlaubssemestern kommt“, berichtet Transberaterin Lola Fischer aus der eigens eingerichteten Transberatung des Referent_innenrats.

„Für alle, die ihr Studium nicht ab- oder unterbrechen, bedeutet dieser Zustand mindestens ein Zwangsouting zu Beginn eines jeden Seminars oder Vorlesung und das Hoffen darauf, dass die jeweiligen Dozent_innen den selbst gewählten Namen ‚akzeptieren’. Dies ist ein untragbarer Zustand der schon viel zu lange von der Universitätsleitung, allen voran von Präsidentin Sabine Kunst, hingenommen wird“, so Anna Schuster, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.

Betroffen sind transgeschlechtliche Student_innen, die noch keine Personenstandsänderung nach dem diskriminierenden Transsexuellengesetz (TSG) abgeschlossen haben. Der mehrjährige, kostspielige und häufig psychisch belastende Prozess ist bei den meist sehr jungen Student_innen noch nicht abgeschlossen und dauert oft länger als das Studium selbst. Ohne eine Personenstandsänderung akzeptiert die HU jedoch keine Vornamensänderungen in den Datenbanken der Universität.

Abhilfe war möglich - aber nicht gewollt

Die Interessenvertreter_innen der transgeschlechtlichen Studierenden, die AG trans*emanzipatorische Hochschulpolitik, das LGBTI Referat und die Transberatung des Referent_innenrats setzen sich bereits seit Jahren für eine umfängliche Lösung ein. Sie fordern, dass die Universität es endlich möglich macht, dass transgeschlechtliche Menschen ohne Diskriminierung studieren können und Namensänderungen ohne Personenstandsänderung anerkannt werden.

Das Präsidium folgte hier jedoch der Einschätzung der Rechtsabteilung, laut der eine umfassende Änderung der Namen, also auch auf Zeugnissen, Immatrikulationsbescheinigungen und dem Studierendenausweis, rechtswidrig und nur eine interne Lösung machbar sei, die keine Dokumente mit Außenwirkung betreffe. Der Einschätzung der Rechtswidrigkeit wurde von Seiten des Referent_innenrats widersprochen. Auch HU Professorin Dr. Ulricke Lembke sieht in ihrem Gutachten keine Hürde für die umfänglichen Namensänderungen.

„Andere Universitäten wie die Technische Universität oder die Alice Salomon Hochschule regeln das Problem schon seit Semestern umfänglich mit einer vollen Namensänderung, auch nach außen“, so Benjamin Kley, Referent für Lehre und Studium, „Änderungen der Namen von transgeschlechtlichen Student_innen stellen unserer Rechtseinschätzung nach keine ‚Falschbeurkundung im Amt’ dar. Das neuste Versagen der HU und ein Blick auf die TU und ASH zeigen: Es fehlt an der Humboldt Universität schlicht am politischen Willen, zum Wohl der eigenen Student_innen zu handeln."

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  • erstellt:14.10.21, 09:43
  • geändert:14.10.21, 12:28