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Für eine umfassende BAföG Reform!

Das Bundesausbildungsförderungsgesetz ist dringend reformbedürftig. Anlässlich des fünzigsten Geburtstages beteiltigt sich deshalb auch der RefRat and der bundesweiten Kampagne "50 Jahre Bafög - (kein) Grund zum feiern!". Warum wir das tun und wie ihr euch ebenfalls einbringen könnt, erklären wir euch hier.

 

Ein bisschen Geschichte

Deutlich werden die Missstände der Ausbildungsförderung besonders an ihrer eigenen Geschichte, denn zur Einführung des BAföG bezogen noch 44,6 % der Studierenden die Förderungen und zwar als Vollzuschuss. Im Jahr 2019 erhielten lediglich 10,96 % der Studierenden BAföG - ein trauriger Tiefstand. Der Vollzuschuss ist bereits seit 1974 für Studierende Geschichte. Wer heute als Student:in BAföG bezieht startet in das Berufsleben mit bis zu 10.000 EUR Schulden. Beim Schüler*innen-BAföG sieht es noch schlechter aus. Unter dem sogenannten Kohl-Kahlschlag 1982 quasi abgeschafft (nur noch für Schüler*innen mit eigenen Haushaltsführung) und 2010 wieder erweitert eingeführt, sinken auch hier die Anzahl der Geförderten kontinuierlich (2010: 323808; 2019: 190844). Wäre Bildungsgerechtigkeit ein Schulfach, die Bundesrepublik Deutschland wäre seit 1974 sitzen geblieben (1).

 

Bildungsgerechtigkeit Note Sechs

Das Bildungssystem ist in unserer Gesellschaft enorm selektiv hinsichtlich der sozioökonomischen Herkunft (2). Kinder von Nichtakademiker:innen erwerben nur halb so oft überhaupt erst die Hochschulzugangsberechtigung wie jene von Akademiker:innen, welche wiederum sechsmal so häufig ein Masterstudium beginnen und zehnmal so häufig promovieren (3). In einer Gesellschaft wo Abschlüsse und Einkommenchancen stark korrelieren, verfestigt sich so über Generartionen ökonomische Ungleichheit. Von sozioökonomischem Aufstieg und Mobilität lässt sich hier nur als Ausnahme der Regel sprechen. Es reicht eben nicht aus, allen formal ein Studium zu erlauben, sondern es müssen auch die sozialen Bedingungen gegeben sein, die es allen unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft ermöglichen ein Studium zu beginnen und abzuschließen. Hierzu gehört selbstverständlich mehr als die finanzielle Absicherung. Jedoch muss diese als zentrales Fundament einer solchen Möglichkeit angesehen werden, denn für wen ein Studium und hier insbesondere die Lebenshaltungskosten währenddessen nicht bezahlbar sind oder dieses mit einem hohen Risiko verbunden sind, wird tendenziell kein Studium beginnen. Gerade deshalb ist es notwendig das BAföG so zu reformieren, dass es wieder zu einem Fundament der Bildungsgerechtigkeit werden kann.

 

Mängel des derzeitigen BAföG

Die viel zu niedrig angesetzen Elternfreibeträge und die mit Bezug des BAföGs einhergehende Verschuldung führen zu einem konstant sinkenden Anteil von Empfänger:innen an der Gesamtzahl der Studierenden. Obwohl ihre Eltern ihnen des Studium nicht finanzieren können, können die einen kein BAföG beantragen, denn diese verdienen für die angsetzen Freibeträge trotzdem schon zu viel oder besitzen Eigentum, das sie allerdings noch abbezahlen müssen. Die anderen sind zwar Antragsberechtigt, schrecken aber auf Grund der Schulden vor einem Antrag zurück und manche, die in den 10,96% gar nicht eingerechnet sind, wohl auch vorm Studium überhaupt. Wenn Studierende dann BAföG beziehen, reicht es nicht mal zum Leben. Am offensichtlichsten ist das für uns Berliner:innen wohl an der lächerlichen Wohnkostenpauschale in Höhe von 325€/Monat. Tatsächlich sind es zu einem bedeutenden Teil die rasant steigenden Mieten, insbesondere aber nicht nur in den Großstädten, die dafür sorgen, dass der Höchstsatz von 752€ (Familienversicherung) bzw. 861€ (Selbstversicherte) kaum zum Leben reicht. Aber auch darüberhinaus sind seit 2016, dem Jahr aus dem die letzten Sozialerhebung des Studierendenwerks stammt, die Lebenhaltungskosten angestiegen. Studieren ist somit deutlich teurer geworden, was sich nicht in den Bedarfssätzen wiederspiegelt. Zu dieser Erkenntnis kam auch jüngst das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig anlässlich einer Klage gegen die Förderungssätze des Zeitraumes Oktober 2014 bis Februar 2015 und überwies den Fall an das Bundesverfassungsgericht, da der Förderungssatz laut Auffassung des Gerichts gegen Verfassungsrecht verstoßen habe (4). Zuletzt bildet das derzeitige BAföG die Diversität der Studierendenschaft nicht ab, denn es besteht eine Altergrenzen von 30 bzw. 35 Jahren im Bachelor respektive Master Studium und der Bezug ist zudem abhängig vom Aufenthaltsstatus.

 

Reformziele der Kampagne

* Rückkehr zum Vollzuschuss: der Verschuldungszwang ist einer der Hauptgründe, kein BAföG zu beantragen oder erst gar kein Studium aufzunehmen.

* Wiedereinführung des allgemeinen Schüler*innen-BAföGs ab Klasse 10 ohne Sonderbedingungen: Um allen Schüler*innen den Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung grundsätzlich zu ermöglichen, müssen auch alle Schüler:innen grundsätzlich förderfähig werden. Selbstverständlich auch die Mehrheit, die noch bei ihren Eltern wohnt. Denn: Bildungsungleichheiten verschärfen sich bereits in der Schule und im Übergang von der Schule zur Hochschule.

* Anpassung der Fördersätze an die Realität: Der BAföG Höchstsatz liegt weit unter dem tatsächlichen Bedarf. Geldsorgen stehen erfolgreicher Bildung im Weg. Die Sätze müssen deshalb sofort massiv angehoben werden und automatisch alle zwei Jahre angepasst werden.

* Flexibler & realistischer Wohnkostenzuschuss: Mieten sind nicht überall gleich. Wohnpauschalen müssen deshalb dem örtlichen Bedarf entsprechen.

* Klare Perspektive zur familienunabhängigen Förderung: das aktuelle BAföG baut auf einem veralteten Familienbild auf. Wessen Familie die eigene Ausbildung nicht unterstützen will oder kann, obwohl sie es nach BAföG rechtlich müsste, hat keine Chance auf Förderung. Der einzige Weg, der aktuell bleibt: die eigenen Eltern verklagen. Wir plädieren für eine Schul-, Studien- und Ausbildungsfinanzierung, die Betroffene ohne Umwege fördert und ihnen als Individuen zur Selbstständigkeit verhilft.

* Erhöhung der Elternfreibeträge: Durch zu niedrige Elternfreibeträge erreicht das BAföG Menschen aus den unteren und mittleren Mittelstandsschichten nicht, die es dringend nötig hätten. Bis das System familienunabhängig aufgestellt ist, müssen die Elternfreibeträge massiv und relational zu Mittelstandseinkommen erhöht werden, um die Förderquote wieder deutlich anzuheben.

* Unabhängigkeit vom Aufenthaltsstatus: wer in der BRD lernt, muss auch gefördert werden können. BAföG muss deshalb für alle zugänglich sein. Egal, was auf ihrem Pass steht.

* Altersunabhängigkeit: Wer studiert hat wenig Zeit, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Egal in welchem Alter. Die Altersgrenze von 30 bzw. 35 Jahren muss deshalb fallen. So ermöglichen wir selbstbestimmte Entscheidungen über den eigenen Bildungsweg, zu jeder Zeit. Lebenslanges lernen darf keine Floskel bleiben.

* Unabhängigkeit von Regelstudienzeit und Abschaffung der Leistungsnachweise: Bildungsbiografien sind heute sehr unterschiedlich. Viele studieren de facto in Teilzeit. Für selbstbestimmte Bildung müssen diese Einschränkungen weichen.

* Digital- & Lernmaterialpauschale: zusätzlich zur Förderung braucht es eine bedarfsgerechte Pauschale für elektronische Geräte, Literatur etc. Auch abseits des BAföG muss etwas geschehen, damit der eigene Bildungsweg wirklich frei von finanziellen Zwängen gewählt werden kann:

* Gesetzliche Mindestausbildungsvergütung von 80% der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung: Ordentliche Vergütung für Arbeit! Die Vergütung muss jährlich automatisch angepasst werden auf Grundlage der Zahlen des Bundesinstituts für Berufsbildung.

* Förderbedingungen für Berufsschüler*innen und Meister-BAföG angleichen: Ob jemand studiert oder eine Ausbildung aufnimmt darf keine Geldfrage sein, weder das eine noch das andere darf finanziell schlechter gestellt sein. Die Konditionen der Förderungen müssen deshalb für alle gleich gut sein.

 

Wie du mitmachen kannst

Ohne wenig Aufwand kannst du dich durch das Unterschreiben der Petition beteiligen. Darüber hinaus soll es bis zur Bundestagswahl im September auch öffentlichkeitswirksame Aktionen der Kampagne geben, über die wir euch auf unserer Website und über den Instagram Account des Referats für Soziales informieren werden. Außerdem ist die Verbreitung der Kampagne enorm wichtig. Sprich also Freund:innen, Bekannten und Kommiliton:innen über das BAföG und seine Reformbedürftigkeit und informiere sie über die Petition. Auch auf Social Media kannst du die Kampagne bewerben und dafür die Sharepics der Kampagne nutzen oder auch einfach die Beiträge des freien Zusammenschluss der Studierendenschaften (@fzs) oder uns teilen. Falls du dich noch mehr Einbringen möchtest, kannst du auch an den Vernetzungstreffen der Kampagne teilnehmen. Die Termine findest du hier.

 

Fußnoten und Verweise

(1) Vgl. zu den im Absatz angegebenen Daten: https://bafoeg50.de/bafoeg

(2) Vgl. https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-arbeiterkinder-an-der-uni-huerdenlauf-zum-akademiker-7688.htm und https://www.boeckler.de/de/boeckler-impuls-gesellschaftliche-ungleichheit-in-der-schule-erlernt-6985.htm

(3) Vgl. https://www.hochschulbildungsreport2020.de/chancen-fuer-nichtakademikerkinder

(4) Vgl. https://www.bverwg.de/de/pm/2021/31

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  • erstellt:15.06.21, 16:56
  • geändert:07.07.21, 11:59